Definition “am Arsch”

derb: verdorben, zerstört, vernichtet sein

Ich liebte Südostasien! Jahrelang zog es mich mehrmals im Jahr dorthin, um mich zu finden, um in meiner inneren Mitte zu sein.

Südostasien war für mich meine Seelenregion. Selbst wenn daheim alles schief lief, wusste ich immer….in ein paar Monaten/Wochen bin ich wieder in Thailand und dann ist wieder alles gut. Ich liebte das essen, die gechillte Stimmung, die Landschaft, das Meer. 

Niemals fühlte ich mich so gesettlet wie in den Wochen und Monaten, die ich jedes Jahr durch Asien reiste. Ich war so gut wie nie krank oder fühlte mich unwohl, während ich Asien besuchte. Es gab mal einen Tag in Indonesien, aber sonst war ich immer fit.

Darum konnte ich es kaum fassen, als es mir in Thailand plötzlich so schlecht ging. Ich hatte eine Nacht vor lauter Schüttelfrost nicht geschlafen und irgendwann früh morgens musste ich aufstehen, weil ich solche Schmerzen in den Gelenken und Knochen hatte. 

Ich stand morgens um fünf zitternd am Strand und wartete auf den Sonnenaufgang. Als die Sonne dann aufging, explodierte mir förmlich der Schädel und ich verkroch mich wieder auf mein Zimmer und wartete darauf, dass es spät genug war und die Apotheken auf machten. Als ich in die Apotheke stand ging es mir noch wesentlich schlechter. In der Zwischenzeit hatte ich auf dem Zimmer angefangen, aus Mund, Nase und Ohren zu bluten. Ich machte mich sauber und schaffte es irgendwie zur Apotheke, jeder Schritt tat weh, als ob mir jemand in die Rippen treten würde. Die Apothekerin begutachtete meinen Arm, deutete auf rote Pusteln, die mir bis dahin noch gar nicht aufgefallen waren, maß meine Temperatur und sagte nur, dass ich Dengue hätte und ich schleunigst ins Krankenhaus solle. 

Dengue war bis dahin für mich auf Koh Samui nie ein Thema. Ich wusste, dass die Nachbarinsel Koh Phangan Denguegebiet war, aber viel geredet wurde darüber nicht und dass sich das mittlerweile auch auf Samui ausgeweitet hatte war mir unbekannt. 

Long Story short, nach einer ziemlichen Odyssee landete ich im National Hospital. Alain, Besitzer des Hotels, wo ich mich eingebucht hatte und ein Kumpel von mir, hatte mir seine Rezeptionistin an die Seite gestellt (wegen ihrer tiefen Stimme wurde sie Mr. Bob genannt).

Hätte ich mich nicht so schlecht gefühlt, hätte ich es da echt ok finden können. Das Personal war super freundlich, auch wenn ich kein Wort verstand, das Essen war für ein Krankenhaus der Hammer und Mr. Bob kam mich mehrmals am Tag besuchen, um mit den Ärzten und den Pflegepersonal zu sprechen und für mich zu übersetzen. So ging das 3 Tage, das Fieber ging kaum runter, aber ich blutete nicht mehr und die Schmerzen waren auch nicht mehr so arg. Mr. Bob klärte für mich ab, wie die weitere Behandlung aussehen würde und das Ergebnis war, dass die Behandlung nur aus den Versuchen bestehen würde, das Fieber zu senken (mit gefühlt kiloweise Paracetamol) und mir Schmerzmittel zu verabreichen. Ich beschloss, dass ich dafür nicht im Krankenhaus liegen müsste und mit dem Versprechen, dass ich sofort wieder kommen würde, wenn die Blutungen wieder einsetzen würden, entließ ich mich selbst.

Ich konnte es einfach nicht fassen, dass es mir in meiner Seelenheimat so schlecht ging. Irgendwie fühlte ich mich persönlich beleidigt und bodenlos. Der Ort an den ich immer flüchtete, wenn daheim alles schief lief, war der Ort an dem es mir nun so schlecht wie noch nie in meinem Leben ging. FRECHHEIT!!!

Von jetzt auf gleich bekam ich das Bedürfnis heimzufliegen, ich war nervlich einfach am Ende. Ich buchte einen Flug ab Bangkok mit Oman Air für den nächsten Tag und einen Flug von Samui nach Bangkok für den gleichen Abend, Mr. Bob half mir meinen Koffer zu packen und Alain brachte mich zum Flughafen. Als ich am Gate auf das Boarding wartete, rief ich meine beste Freundin daheim an und heulte wie ein Schlosshund, ich war einfach so richtig durch und fertig.

Der Flug von Koh Samui nach Bangkok war der Schlimmste, den ich jemals mitgemacht habe. Ich hatte Schmerzen wie wild und aus meinem linken Ohr pulsierte das Blut. Ich hielt ein Ersatz-Shirt vor mein Ohr, welches zum Glück schwarz war. Spätestens da hätte mir eigentlich bewusst werden müssen, dass ein Langstreckenflug für jemandem mit akuten Blutgerinnungsproblem vielleicht grade nicht die beste Idee war, aber soweit dachte ich gar nicht. Ich wollte nur nach Hause. 

In dem Airporthotel machte ich mir nur Sorgen, wie ich morgen den Stopover in Muscat hinter mich kriegen sollte, ohne das sie mich wegen meinem blutenden Ohr und meinem generellen Endstadium-Look in Quarantäne stecken würden. 

Ich schlief in der Nacht genauso wenig, wie in den sechs oder sieben Nächten zuvor. Mein Ohr hatte aufgehört zu bluten, dafür hatte ich massive Gleichgewichtsprobleme, die ich aber ignorierte, als ich eincheckte. Ich hoffte nur, dass ich nicht wieder Bluten würde wie wild, wenn der Flieger erstmal in der Luft war. 

Der erste Teilflug von Bangkok nach Muskat war anstrengend, aber mein Ohr hielt und ich konnte mein Zittern unterdrücken. Ich war richtig nervös wegen des Stopovers, der Gott sei Dank nur zwei Stunden dauern sollte. 

Alles lief reibungslos und ich konnte mit hart unterdrücktem Schüttelfrost den Flieger für den zweiten Teilflug besteigen. Eine Stewardess musterte mich und mein Ticket und bat mich, ihr zu folgen. Sie ging ganz nach hinten in den Flieger, zeigte auf die vier Mittelplätze und sagte, dass die alle für mich wären. Ich solle mich ausruhen. So ganz gut schien das mit dem Unterdrücken nicht geklappt zu haben. Eine Minute später tauchte sie mit einer Decke aus der ersten Klasse auf, dick und flauschig. Ich hätte sie am liebsten umarmt. Ich legte mich hin, deckte mich zu, schnallte mich so an, dass es jeder sehen konnte und schlief augenblicklich ein. Zum ersten Mal seit einer guten Woche schlief ich tief und fest. Als ich kurz vor Frankfurt aufwachte hörte ich noch wie jemand, der Wasser im Ohr hatte. Nach der Landung hörte ich wie jemand, dem sie Oropax in den Gehörgang getackert hätten. 

Ich wurde von zwei meiner besten Freundinnen abgeholt. Ich konnte sie nicht verstehen, aber das war mir in dem Moment einfach egal. Ich war froh zurück zu sein und die Kacke nicht mehr alleine durchstehen zu müssen.

Das Dengue-Fieber hat Zellen in meinem Innenohr irreparabel kaputt gemacht und vor allem die linke Seite ist arg in Mitleidenschaft geraten. Seitdem trage ich beidseitig Hörgeräte (wenn ich sie nicht grade verloren habe). 

Mein Hörverlust ist aber nicht das Schlimmste an meiner Dengue-Geschichte, das absolut Schlimmste war, dass sie meiner Liebe zu Südostasien einen empfindlichen Knacks verpasst hat und mir somit meine Seelenheimat geraubt hat.