Definition “Mimimi”

Übersetzt kann der Ausdruck als „Stell’ dich nicht so an! “ verstanden werden.

Hat nicht jeder einen Soft-Spot? eine Schwachstelle?

Lange Zeit war mein weak Point meine gestörte Feinmotorik. Es war für mich immer leicht peinlich, dass ich selbst als Erwachsener eine Schrift wie ein schlampiger 6 Jähriger Erstklässler hatte und das es mit steigendem Alter eher schlimmer als besser wurde machte es auch nicht einfacher. 

Nun der Fortschritt im Kommunikationsgeschehen kam dieser fortschreitenden Schwäche entgegen, denn mittlerweile schreibt man kaum noch etwas handschriftlich und im Gegensatz zu vor 5 Jahren ist es heutzutage normal, wenn man mit Laptop in einem Meeting sitzt und sich Notizen macht. Natürlich habe ich deswegen immer noch Einschränkungen, fancy Choaching Sachen auf Flipcharts malen ist nicht mein Ding und das kommt meiner Arbeit im Projektmanagement oft nicht entgegen, aber auch das kann man anders lösen. 

Wenn ich eine schlechte Phase habe, dann brauche ich gar nicht erst zu versuchen eine Suppe zu essen, denn auf dem Weg vom Teller zum Mund geht alles verloren, was jemals auf dem Löffel war. Ist das ein großes Problem? Nicht wirklich! Mittlerweile esse ich meine Suppen sehr oft aus Tassen und wenn es nicht geht, dann trinke ich sie eben wie einen Kaffee.

Woher dieses Manko kommt, ist mir bekannt, aber letztlich unwichtig. Meine Krankenakte ist echt nur semi-spannend.

Wie schon in einem Beitrag geschrieben fing ich mir vor einigen Jahren das Dengue Fieber und das zerstörte irreparabel eine Zellart in meinem Innenohr. Nach meiner Genesung war ich beidseitig auf Hörgeräte angewiesen. Die Dinger war furchtbar nervig juckten im Ohr und ständig entzündete sich mein Mittelohr, weil es durch die Hörgeräte so gereizt war. Laufend zog ich die Teile so blöd aus dem Ohr, dass ein Stück von den Teilen im Ohr steckenblieb und ich in die Notaufnahme musst um mir das Teil aus dem Gehörgang pulen zu lassen. 

Irgendwann waren die Hörgeräte weg, ich hatte sie in Ihrer Box einfach verloren. Das nervte mich dann doch kolossal, schließlich waren damit einige tausend Euro einfach weg. Es war einfach wieder typisch, der chaotische Trottel in mir, machte es mir wieder schwer.

Da meine Krankenkasse erst in vier Jahren wieder etwas dazu geben würde, versuchte ich ohne Hörgeräte klarzukommen, was auch ein stückweit ging. Ich sagte jedem mit dem ich mehr zu tun hatte, dass ich schwerhörig bin und dass es passieren kann, dass ich häufiger nachfragen muss, um es zu verstehen. Ich muss sagen, die meisten Leute kamen mit dieser Art von Offenheit sehr gut klar und waren sehr geduldig mit mir.

Ich konnte mich damit aber genauso arrangieren, wie mit meiner fehlenden Feinmotorik.

ABER ich musste feststellen, dass ich mich ohne Hörgeräte unheimlich konzentrieren musste, um Gesprächen oder Meetings zu folgen und dass es mich richtig arg anstrengte und mich ziemlich schnell erschöpfte.

Diese Anstrengung und Erschöpfung und Herausforderung an meine Konzentration war in meinen Augen einer der kleinen Tropfen (neben vielen anderen), die mein Fass irgendwann zum überlaufen brachten und wo ich mich dann in eine Situation wiederfand, mit der ich mich nicht arrangieren konnte und wo ich keinen Workaround für mich finden konnte.

Ich war Zeit meines Arbeitslebens immer derjenige der voran gegangen ist. Ich mochte es gut in einem Job zu sein. Ich mochte es gefragt zu werden. Ich mochte es als Spezialist bezeichnet zu werden. Meine Ausbildung war nie dementsprechend, was mein Job eigentlich forderte, ich hatte es immerr auf die Ochsentour gemacht. In meinem beruflichen Umfeld gab es viele Akademiker und hochgebildete Leute. Speziell in den letzten Jahren wurde dies offensichtlich, nachdem ich innerhalb des Unternehmens auf eine Fachidiotenstelle nach Stuttgart wechselte. Der Job war ok, ich übernahm Projekte und begleitete sie. Versuchte meinen jungen Akademikerkollegen auf ihren Fantasiewolken zu folgen, um sie dann sachte und sanft wieder auf den Boden holen, wenn sie sich in irgendeiner “genialen” Businessidee verrannt hatten. Nachteil an dem Job war, dass ich neben dem Aufwand, den ich im Büro machen musste, jeden Tag noch zwischen 3 und 6 Stunden im Auto verbrachte, da mein Arbeitsweg 100km (einfache Strecke) über die mieseste und stauanfälligste Autobahn Deutschlands führte. Ich zog das einige Zeit durch. Die Zeichen der Überforderung ignorierte ich einfach. Ich redete mir ein, dass dies nur eine Phase sei und ja alles wieder besser werden würde.

Es wurde nicht besser, im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Irgendwann saß ich in Meetings und wusste nicht mehr worüber wir 10 Minuten vorher gesprochen hatten oder irgendwann ertappte ich mich zu Hause dabei, dass ich nicht wusste, worum es in einem Projekt ging, welches ich schon mehr als ein Quartal begleitete. Das mir zu diesem Zeitpunkt mein Lachen und meine innere Freude schon monatelang abhanden gekommen war, wurde mir erst viel später bewusst.

Eines Tages wachte ich auf und fühlte mich wie ein Verprügelter, dem sie grande einen Einlauf verpasst, aber gleichzeitig ans Bett gefesselt hatten, damit er nicht aufs Klo geht. Ich war so richtig durch und am Arsch. Die Vergangenheit war unwichtig, die Gegenwart egal und nichts hätte mich an diesem Morgen weniger interessieren können, als die Zukunft. Ich war noch nicht mal in der Lage mir Sorgen zu machen oder Angst zu haben oder sonstwas. Ich meldete mich nicht im Büro krank, ich wusch mich nicht, ich trank keinen Kaffee, ich konnte einfach nichts machen. 

Nach zwei Tagen in diesem Zustand schleppte ich mich zu meinem Hausarzt. Es war erst mein zweiter Besuch bei ihm, denn kurze Zeit vorher hatte ich meinen Hausarzt gewechselt. Er checkte mich durch und besorgte mir sehr sehr kurzfristig einen Termin im Medizinischen Versogrungs Zentrum. Ich fuhr gar nicht mehr erst nach Hause, da ich befürchtete, sonst keinen Elan mehr für irgendeinen Termin  zu haben. Die Psychiaterin hörte sich meine Geschichte an und schrieb mich gleich mal für vier Wochen krank und kündigte gleich an, dass ich nicht davon ausgehen solle, dass ich nach diesen vier Wochen wieder würde arbeiten können.

Long story short…nach zehn unglaublich ANSTRENGENDEN Monaten mit startete ich vorsichtig mit der Wiedereingliederung und der Ansage im Büro, dass ich ab sofort von daheim arbeiten und nur noch im absoluten Ausnahmefalle ins Büro kommen würde. Karrieretechnisch bedeutete dies das sofortige Aus für jegliche Ambitionen, welche aber Gott sei Dank eh nicht mehr vorhanden waren.

Tatsächlich gab es auch positive Dinge, die ich aus dieser dunklen Zeit ziehen konnte, beispielsweise hatte sich mein Horizont unglaublich erweitert, ich hatte gelernt die Schattierungen zwischen schwarz und weiß zu sehen, ich hatte gelernt achtsamer mit mir und anderen umzugehen, ich hatte gelernt meinen Körper und dessen Signale zu beachten.

Noch heute sind meine kognitiven Fähigkeiten gestört, was für einen Chaoten wie mich ein noch größeres Problem ist, weil er gezwungen wird, sich zu organisieren. Ich bin einfach nicht in der Lage, mir Sachen zu merken oder mich über einen langen Zeitraum zu konzentrieren, wenn mich etwas nicht ABSOLUT fesselt. 

Ich arbeite da mit einigen Tricks. Bspw. ist mein Handykalender nun immer gepflegt und ich werde an jeden Termin und jede Aufgabe erinnert ODER ich mache sehr viele Fotos und habe mein Handy so eingestellt, dass neben Datum und Uhrzeit, auch der Ort der Aufnahme gespeichert wird. Diese Daten in Kombination mit dem Visuellen des Bildes helfen mir, mich an Sachen zu erinnern oder sie in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Grundsätzlich denke ich, dass jeder eine Last auf seinen Schultern hat und lernen muss damit umzugehen. ABER es bringt nichts, sein Leben lang darüber zu lamentieren!