Definition “Kinetose”
leitet sich ab vom griechischen Wort für bewegen (kinein). Denn es ist der Bewegungsreiz, der Menschen mit Reisekrankheit zu schaffen macht. Er kann zum Beispiel durch einen rüttelnden und schwingenden Reisebus ausgelöst werden oder in einem Auto auf einer kurvigen Bergstrecke oder in einem Alkoven bei starkem Wind
Der Tag der Abreise. Ich kam zwar ganz gut aus den Federn, aber nur semi gut in Schwung, dennoch machte ich mich gegen halb 10 auf den Weg.
Den ersten Teil der Strecke kannte ich ja noch nicht und ich war wirklich motiviert mir die Landschaft anzuschauen und einige Kilometer abzureißen. ABER dann kamen die Geschwindigkeitshubbel und die haben mich anfangs echt kirre gemacht. Alle 200/300 Meter ein solcher Hubbel, wo man wirklich richtig runterbremsen musste, da Herr Joplin sonst wahrscheinlich ein paar Schränke verloren hätte. Gott nerven diese Teile!
Es dauerte etwas bis ich zu einer Strecke kam, auf der ich Herrn Joplin ein bissl laufen lassen konnte und diese Strecke war zwischendurch es ein bissl gespenstig, denn als die Berge so langsam anfingen, kam ich in eine Region, die scheinbar ziemlich von Waldbränden betroffen gewesen sein muss denn soweit das Auge blicken konnte standen nur schwarze Baumleichengerippe rum. Das war schon strange und irgendwie bedrückend, wenn man bedachte, wie lange es dauern würde, dass sich die Natur davon wieder erholen würde.
Mir war bei meiner Abfahrt am Morgen schon klar, dass es wieder mächtig bergauf gehen würde, aber dass die Strecke so grandios werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Herr Joplin ist zwar jetzt nicht darauf ausgelegt, ein Kurvenräuber oder Kletterer zu sein, aber trotzdem war es wunderschön! Ich hielt mehrmal an, um Fotos zu machen und die grandiosen Aussichten auf mich wirken zu lassen. Leider bin ich eine Luftpumpe im Fotografieren und schaffte es natürlich nicht, die Eindrücke auch nur ansatzweise einzufangen.
Oben angekommen wurde es noch ein paar Mal eng, aber dann war ich auch schon bald in Spanien und da konnte ich endlich mal Kilometer machen. Ich hatte mir vorgenommen in Salamanca wieder auf den Übernachtungsplatz zu gehen, auf dem ich bei der Hinfahrt schon war. Vorher ging ich noch fix Tanken, aber diesmal nicht an der Riesen Repsol, sondern 150 Meter weiter an so einer Kartenmikrotanke für 14 Ct/Liter weniger.
Die Nacht war in Ordnung, die Fahrer vom Fischgroßhandel waren zwar wieder da, aber ich hörte sie nur kurz und schlief weiter. Morgens regnete es und das drückte echt die Stimmung. Es war für mich der erste Regen seit Wochen und es war als ob man einen Klotz auf der Schulter liegen hat.
Ich fuhr noch beim Lidl vorbei (intelligenterweise einmal im Berufsverkehr durch die ganze Stadt), holte eine Palette Bier und ein Brot und machte mich dann auf den Weg. Das Wetter wurde bald besser und somit dann auch die Stimmung. Die Strecke war nicht mehr so spannend, wie auf der Hinfahrt, aber offensichtlich hatten wir Rückenwind, denn der Stundenschnitt war wirklich hoch und relativ leicht zu erreichen.
Ich wunderte mich, warum das Navi trotz guten Durchschnitts- km/h noch so viel Restfahrzeit angab. Aber ich sollte es bald merken. Als ich kurz vor der spanisch/französischen Grenze den billigsten Sprit meines ganzen Urlaubs tankte zeigte mir das Navi für verbleibende 80 km noch 2 Stunden an. Und was soll ich sagen, ich habe diese Zeit wirklich gebraucht!
Es war echt ein Albtraum. Generell ist die Fahrerei hier durch die Orte an der südfranzösischen Atlantikküste zum kotzen. Ich wollte ja nach Hossegor um mich da auf den Stellplatz zu stellen, aber endlich dort angekommen, gefiel er mir nicht, war mitten in der Pampa, ohne Strom und für das Gebotene generell zu teuer. Zum Glück gibt es diese ganzen Apps und als Plan B suchte ich mir den Stellplatz in Capbreton raus. 7 km weg (knapp 20 Minuten Fahrzeit), direkt an den Dünen, inkl. Strom und auch noch billiger. Wirklich schön!
Die Nacht wurde dennoch zum Desaster. Es zog ein Sturm auf mit Wolkenbrüchen und starken Böen. Intelligenterweise stand Herr Joplin genau quer zum Wind und ich kam mir die ganze Nacht vor wie auf der Achterbahn. Grundsätzlich finde ich es ja gemütlich, im Alkoven zu liegen, wenn es regnet, aber wenn es so arg ist, dass es sich anhört, als wäre “Tier” aus der Muppetshow auf einem LSD-Koks-Gemisch , dann finde ich das doch ein bissl viel. Ich schlief vielleicht 2 Stunden und das, obwohl ich von der Fahrerei echt kaputt war.
Der Regentag beim Shopping verlief wie in Trance mit Grippe. Die Outletgegend war in Ordnung, nicht super billig, aber mit einer tollen Auswahl, doch der Regen und die Nacht waren jetzt nicht shoppingsstimmungsfördernd. Dennoch fand ich ein paar Sachen und auch für die Kids.
Nach meiner Rückkehr am Stellplatz stellte ich mich diesmal längs zur Windrichtung. Ich bin zwar nicht die hellste Kerze auf Gottes IQ-Kuchen, aber niemand kann mir Lernresistenz unterstellen. Somit wurde die Nacht auch deutlich entspannter als die vorherige und ich freute mich so richtig auf “meine Family” also Dudi und die Kids. Eigentlich wollte ich noch einen Tag am Strand bleiben, aber zum einen war das Wetter nicht wirklich einladend und zum anderen wollte ich auch endlich zu meinen Lieben, also packte ich meinen Kram zusammen, machte Herrn Joplin fertig und machte mich auf den Weg Richtung Molinet.
Ich wollte Dudi und die Kids überraschen und einen Tag früher vor der Tür stehen. Herr Joplin spielte mit und lief einfach perfekt. Es war ein ganz schön langes Teilstück mit einigen Mittelgebirgen, die er eigentlich nicht mochte, aber er zog es einfach super durch.
Der Stellplatz in Molinet war nett wie immer und perfekt für einen Zwischenstop. Hinstellen, was zu Essen machen, Bierle trinken, pennen, weiter. Ich hatte diesmal den direkten Wettervergleich und es war deutlich kälter, als zu Beginn meines Trips, was ja aber wegen der Jahreszeit nicht wirklich verwunderlich war.
Ich frühstückte, ging tanken und machte mich dann auf den Weg. Die ersten paar hundert Kilometer liefen auch super, bis kurz vor Straßburg, da ging dann plötzlich gar nichts mehr. ÜBER STUNDEN! Ich kochte Kaffee, hörte Hörbuch und versuchte mich irgendwie abzulenken. Zum ersten Mal nach all den Wochen wurde ich wirklich unruhig, denn wenn ich zu spät kommen würde, dann würde ich sie alle nicht mehr zu sehen bekommen. Tick Tack Tick Tack …irgendwann wurde mir klar, dass ich es nicht mehr schaffen würde und ich gab auf.
Also quälte ich mich durch Straßburg City, ging in Kehl in irgendeinem Vereinsheim ein schlechtes Schnitzel essen und war echt scheiße drauf. So kann ein Plan ins Wasser fallen.
Auf dem Stellplatz in Kehl war noch ein Platz frei und mir war klar, dass ich mich am nächsten Tag nicht würde beeilen müssen, da wir verabredet hatten, dass wir uns auf dem 50sten Geburtstag einer Bekannten treffen würden und dort ging es Nachmittags los. Ich versorgte Herrn Joplin und gondelte dann ganz langsam in den Odenwald, wo die Geburtstagsfeier stattfinden sollte.
Es war einfach toll sie alle wieder zu sehen und sie zu huddeln (knuddeln für den Rest Deutschlands). Eine der besten Dinge am Alleinreisen ist, dass man mit der Zeit wieder wertzuschätzen weiß, was man daheim mit seinen Lieben hat und wie sehr man sie vermissen kann.
Learnings dieses Roadtrips:
- Herr Joplin ist das allerbeste Gefährt überhaupt
- Eine zusammengebrochene Trittleiter kann man nicht mit Panzertape reparieren
- In Frankreich mautfrei fahren ist ok
- Wenn es dir irgendwo nicht sofort gefällt, fahr weiter und verschwende keine Zeit
- Freistehen kann Stress bedeuten
- Ein gutes gegrilltes Iberico Secreto kann fast nichts toppen
- In Spanien mautfrei fahren läuft meistens sehr gut
- Bewege dich mehr
- Es gibt sehr sehr merkwürdige Belgier
- Die letzte Bratwurst vor Amerika schmeckt gar nicht schlecht
- Super Bock ist kein Spitzname für einen notgeilen Kerl
- Spanien ist bergiger, als man es je in der Schule beigebracht bekommen hat
- In Portugal mautfrei fahren ist doof und nervig
- Der Verkehr rund um Straßburg ist nichts für Leute mit Bluthochdruck
- Alleinreisen bringt einen emotional näher an seine Lieben daheim ran
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